Kunstwerk-Analyse: Der Kuss von Gustav Klimt

Gustav Klimt’s Der Kuss ist der Inbegriff für Zärtlichkeit und Leidenschaft. Diese schillernde, farbenfrohe Liebesszene zweier Gesichter und Körper, die sich umarmen, wird im Belvedere Museum in Wien ausgestellt. Obwohl die mit Blattgold überzogene Leinwand eindeutig extravagant ist, beeinträchtigt sie nicht die tiefe Bedeutung des Werks. Artsper lädt Sie ein, in dieses erotische, doppeldeutige und mythische Werk einzutauchen und seine faszinierende Bedeutung zu entdecken.

Der Kontext

Klimt malte Der Kuss in einem kritischen Moment seiner Karriere: inmitten einer künstlerischen Panik. Er hatte gerade vernichtende Kritik für seine Deckengemälde der Universität Wien, Philosophie, Medizin und Jurisprudenz, erhalten. Die Gemälde wurden als pornografisch bezeichnet, und Klimt hatte Vorbehalte gegen seine Arbeit und einen angeschlagenen Ruf. Außerdem war er gerade aus der Wiener Sezession ausgetreten, obwohl er die Bewegung gegründet und als ihr erster Präsident agiert hatte. Diese Gruppe wollte die konservativen Werte der Akademie der bildenden Künste brechen. Die Wiener Sezessionisten malten „was sie nicht hätten malen sollen“ und weigerten sich, sexuelle Elemente aus ihren Werken zu entfernen.

Sie erforschten die Macht einer zarten Berührung, einer Umarmung, eines Kusses, eines Moments der Gewalt oder einer erotischen Szene. Obwohl Klimt die Bewegung aufgrund von Meinungsverschiedenheiten verließ, blieb er zusammen mit Egon Schiele ihr Hauptvertreter. Nachdem er sich von der Sezession losgesagt hatte, organisierte Klimt die Kunstschau, in der er den Kuss zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorstellte. Die Veranstaltung wurde heftig kritisiert und endete in einem finanziellen Desaster. Trotzdem leitete die Ausstellung den astronomischen Erfolg von Der Kuss ein. Die Wiener Regierung kaufte das Werk, noch bevor die Ausstellung zu Ende war, da es als nationales Interesse angesehen wurde.

Die Verzierungen

Das Werk zeigt ein sich umarmendes Paar, das unter einem großen goldenen Mantel verborgen ist. Diese breite Verzierung schützt und umgibt das Paar und unterstreicht die Unsterblichkeit ihrer Liebe. Das Bild besteht aus zwei unterschiedlichen Teilen: Der erste Teil, der den Mann darstellt, zeigt ein sich wiederholendes geometrisches Schwarz-Weiß-Motiv, das seine Stärke und Männlichkeit symbolisiert. Im zweiten Teil, der die Frau darstellt, verwendet Klimt Blumen und Kreise, um die Symbolik von Weiblichkeit und Mutterschaft wiederzugeben.

Das Paar

Der Mann und die Frau sind die einzigen Figuren auf diesem Kunstwerk, die sich ihren Gefühlen hingeben, völlig unberührt von der Zeit oder der Realität. Auf den ersten Blick scheint der Mann die Frau aufgrund seiner Größe zu dominieren, aber der Fuß der Frau liegt unter der Verzierung frei, was darauf hindeutet, dass sie sich hinkniet. Wenn sie stehen würde, wäre sie also größer als ihr männlicher Begleiter und würde ihn daher dominieren. Diese Umarmung könnte als Selbstporträt gesehen werden, wobei die Liebenden symbolisch für den Künstler und seine langjährige Partnerin Emilie Flöge stehen. Die weibliche Figur könnte aber auch eine andere von Klimts vielen Musen oder romantischen Eroberungen sein. So wie Klimt unentwegt malte, liebte er auch unentwegt Frauen und hatte im Laufe seines Lebens viele Geliebte.

Die Umarmung

Wie viele von Klimts Werken, verbirgt Der Kuss das Gesicht des Mannes und konzentriert sich stattdessen auf die Frau. In diesem Werk rufen der Gesichtsausdruck und die geschlossenen Augen der jungen Frau gleichzeitig Gefühle von Verlassenheit, Ekstase und Entzücken hervor. Obwohl die Position des Mannes, der sie umarmt, aufdringlich erscheinen mag, ruft die Art und Weise, wie seine Hände sanft ihr Gesicht halten, Gefühle von Zärtlichkeit und Wärme hervor. Die Liebenden scheinen sich in einer untrennbaren Umarmung zu befinden, doch obwohl sie auf einem Blumenbeet ineinander verschlungen sind, stehen sie auch am Rande eines Abgrunds, der für immer zu verschwinden droht.

Die goldene Phase

Der Kuss stellt den Höhepunkt von Gustav Klimts „goldener Phase“ dar. Nachdem er sich mit dem Handwerk des Goldschmieds vertraut gemacht hatte, verwendete Klimt in Der Kuss eine kraftvolle Goldbeschichtung, bei der der schimmernde Hintergrund wie ein goldener Kokon für die Liebenden wirkt.  Der Kuss ist ein fesselndes und beeindruckendes Werk für alle, die das Privileg haben, es in natura bestaunen zu können, sei es wegen der Anwendung von Gold oder wegen des gewagten Themas.